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Branchen | Europa | Handelspolitik unter Trump

Europäische Pharmaexporteure bangen um ihr US-Geschäft

Zölle auf Medikamente? Für europäische Pharmaunternehmen drohen massive Einbußen im wichtigsten Exportmarkt.

Von Oliver Idem | Bonn

Die mögliche Einführung von Zöllen auf Medikamente aus Europa setzt Pharmaunternehmen massiv unter Druck. Für Deutschland steht viel auf dem Spiel: Arzneimittel machen 17 Prozent der deutschen Exporte in die USA aus. Auch Irland und die Schweiz liefern große Mengen – zusammen decken die drei Länder zwei Drittel des US-Importbedarfs bei Medikamenten.

Im Jahr 2024 exportierten die EU-Staaten laut Eurostat Pharmazeutika im Wert von knapp 120 Milliarden Euro in die USA, importierten aber nur für 46 Milliarden Euro. Aus US-Sicht ergibt sich ein Handelsdefizit von 74 Milliarden Euro – ein Umstand, der Donald Trump ein Dorn im Auge ist. Im April 2025 brachte er daher hohe Einfuhrzölle für die EU und die Schweiz ins Gespräch.

US-Pharmamarkt für eurpäische Exporteure besonders lukrativ

Die geplanten Zölle könnten europäischen Unternehmen das Geschäft auf dem wachsenden US-Pharmamarkt verhageln. Bisher steigen die Exporte jährlich um 5 bis 6 Prozent – getrieben von der starken Nachfrage nach teuren Medikamenten. Wachstumstreiber sind chronische Krankheiten, Abnehmpräparate, innovative Krebsmedikamente sowie Gen- und Zelltherapien.

Bruch mit WTO-Vereinbarungen zur Versorgungssicherheit

Importzölle auf Arzneimittel könnten die Produkte in den USA verteuern oder sogar zu Lieferstopps bestimmter Präparate führen. Der Bruch mit einer langjährigen internationalen Zollpraxis droht: Für die Versorgungssicherheit bei Medikamenten erheben Staaten nur geringe Zölle auf Pharmazeutika oder verzichten ganz auf sie. Grundlage ist das Pharmaceutical Tariff Elimination Agreement der Welthandelsorganisation WTO von 1995. US-Zusatzzölle könnten diese Vereinbarung nun torpedieren. 

Zudem werden Medikamente nur selten vollständig in Land A hergestellt und nach Land B geliefert: "Die Lieferketten der Arzneimittelwirtschaft sind global vielfältig verwoben und lassen sich nur sehr selten auf den bilateralen Handel zwischen zwei Nationen herunterbrechen. Viele Medikamente enthalten Komponenten aus unterschiedlichen Weltregionen", erläutert Axel Lohse, Leiter der Exportinitiative Gesundheitswirtschaft bei Germany Trade & Invest.

Für Deutschland, Irland und die Schweiz steht besonders viel auf dem Spiel

Die Folgen zusätzlicher US-Zölle wären nicht nur für europäische Unternehmen, sondern auch für die Exportbilanz der jeweiligen Länder erheblich.   

Branche in Irland besonders betroffen

Irland ist Europas Zentrum der Arzneimittelproduktion. Hier produzieren auch US-Pharmakonzerne für ihren Heimatmarkt USA - angezogen durch eine starke Forschungs- und Entwicklungslandschaft sowie niedrige Steuern. Auch Biopharmazeutika und zahlreiche Grundstoffe für die Arzneimittelproduktion in die USA werden in Irland gefertigt, unter anderem durch Pfizer und Merck. 

Die Arzneimittelbranche sticht aus einer derzeit gemäßigt wachsenden irischen Volkswirtschaft positiv heraus. Kehrseite ist die ausgeprägte Abhängigkeit von externen Einflüssen wie der US-Zollpolitik.

In Deutschland sind Pharmaprodukte zweitwichtigstes US-Exportgut  

Für Deutschland zählen medizinische und pharmazeutische Erzeugnisse zu den wichtigsten Exportgütern in die USA – sie belegen Platz 2 und 3, übertroffen nur von Autos. Die starke US-Nachfrage nach innovativen Medikamenten und das dortige hohe Preisniveau haben maßgeblich die Forschungs- und Entwicklungsbudgets deutscher Hersteller gestützt. 

Entsprechend weit könnten die Schockwellen neuer Zölle reichen. "Dies betrifft große Arzneimittelhersteller, die erhebliche Umsätze in den USA erzielen, darunter Bayer, Merck und Boehringer Ingelheim“, sagt Axel Lohse. "Noch gravierender werden die Auswirkungen auf kleine und mittlere Pharmafirmen sein, die über 90 Prozent der Unternehmen der deutschen Arzneimittelwirtschaft ausmachen. Sie würden aufgrund geringerer finanzieller Spielräume besonders unter diesen Maßnahmen leiden."

Schweizer verhandeln unabhängig von der EU

Unternehmen aus der Schweiz liefern insbesondere innovative patentgeschützte Medikamente für die Onkologie und Immunologie in die USA. Günstige Forschungsbedingungen und niedrige Steuern machen das Land als Pharmastandort attraktiv, unter anderem für Novartis und Roche. 

Da die Schweiz kein EU-Mitglied ist, verhandelt die Regierung mit der Trump-Administration über einen eigenständigen Zollsatz und gesonderte Importkonditionen.  

Flankierend kündigten schweizerische Pharmaunternehmen Milliardeninvestitionen in den USA an. Bei Roche summieren sich diese auf 50 Milliarden US-Dollar, bei Novartis auf 23 Milliarden US-Dollar. Beide Unternehmen wollen ihre Präsenz dort ausbauen. Ob die Absichten auch bei massiven Preisabschlägen für Medikamente bestehen bleiben, ist unklar.

Pläne für Zölle und Preisdeckel könnten erhebliche Nebenwirkungen auslösen

Obwohl die US-Regierung auf massiv niedrigere Preise für verschreibungspflichtige Präparate abzielt, drohen Importzölle als Preistreiber für Arzneimittel in den USA zu wirken. Im ungünstigsten Fall würde sich die Versorgung mit importierten Medikamenten verschlechtern und zugleich die Fertigung im Inland unattraktiver werden.

Denn auch US-Produzenten sind vom Import wichtiger Vorprodukte abhängig. Mit Zusatzzöllen auch auf diese wäre die kostspielige Ansiedlung von Arzneimittelwerken in den USA weniger wirtschaftlich. 

Zudem dürften Hersteller nicht nur die höheren Produktionskosten einpreisen, sondern auch die ohnehin intransparente Preisbildung auf dem US-Markt nutzen. Preise für Arzneimittel variieren stark, je nach Umfang der Krankenversicherung und durch Patienten selbst zu zahlende Kostenanteile.

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