Wirtschaftsausblick | Polen
Neuer Präsident in Polen – Was bedeutet das für die Wirtschaft?
Die Regierungskoalition von Donald Tusk hat bei der Präsidentschaftswahl eine herbe Niederlage erlitten. Dennoch bleiben die wirtschaftlichen Aussichten positiv.
04.06.2025
Von Christopher Fuß | Warschau
Top-Thema: Neuer Staatspräsident gewählt
Polen hat einen neuen Staatspräsidenten. Der Wahlsieger heißt Karol Nawrocki und stammt aus dem Lager der national-konservativen Oppositionspartei PiS. Der ebenfalls PiS-nahe Amtsinhaber Andrzej Duda konnte nach zwei Amtsperioden nicht erneut antreten. Für den Premierminister Donald Tusk und seine aus drei Parteien gebildete bürgerlich-liberale Koalition wird das Regieren damit nicht leichter. Der Staatspräsident kann nahezu jedes Gesetzesvorhaben mit einem Veto blockieren – ein Mittel, das bereits Duda gegen die Regierung einsetzte. Nawrocki wird diesen Kurs fortführen. Tusks liberal-konservative Partei PO und die PiS stehen sich unversöhnlich gegenüber.
Auch Wirtschaftsreformen könnten davon betroffen sein. So gilt es als unwahrscheinlich, dass Nawrocki einer anvisierten Lockerung der Abstandsflächen von Windrädern oder einem schnelleren Kohleausstieg zustimmen wird.
Einschränkungen für internationale Auftragnehmer
Nicht alle Reformprojekte sind jedoch so umstritten. Eine geplante Änderung des Vergaberechts gilt als konsensfähig. Die Regierung hat ein entsprechendes Gesetz auf den Weg gebracht, das staatlichen Auftraggebern erlaubt, bestimmte Unternehmen von Ausschreibungen auszuschließen. Die Novelle betrifft Firmen mit Sitz außerhalb der EU, der europäischen Freihandelszone oder des GPA-Abkommens der Welthandelsorganisation WTO. Tochtergesellschaften in Polen oder anderen EU-Staaten sind ausgenommen. Die Reform zielt unter anderem auf chinesische und türkische Bauunternehmen ab. Parlament und Staatspräsident müssen dem Gesetz noch zustimmen.
Polen überträgt damit ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in nationales Recht. Bereits zum Jahresbeginn 2025 hatte der staatliche Schienennetzbetreiber PKP PLK bei einer Ausschreibung nicht-europäische Bewerber ausgeschlossen. Die Straßenbaubehörde GDDKiA ging beim Ausbau der Autobahn A2 einen ähnlichen Weg.
Die staatliche Projektgesellschaft hinter dem geplanten Großflughafen CPK behält sich hingegen vor, türkische Auftragnehmer bei Tiefbauarbeiten zuzulassen. Auch der staatliche Betreiber des Gasnetzes Gaz-System lässt ein Terminal für Flüssigerdgas von einem türkischen Unternehmen bauen.
Wirtschaftsentwicklung: Wachstum dank Investitionen
Öffentliche Investitionen tragen dazu bei, dass Polens Wirtschaft im Jahr 2025 mit einem Plus von 3,3 Prozent dreimal schneller wachsen wird als der europäische Durchschnitt. Zu diesem Schluss kommt die Europäische Kommission in ihrer Frühjahrsprognose.
Wichtige Impulse gehen vom Energiesektor aus. Die Installation der ersten Offshore-Windräder Polens läuft seit Anfang 2025. Auch der Großflughafen CPK macht Fortschritte. Die staatliche Projektgesellschaft hat den Bau des Passagierterminals ausgeschrieben und einen Auftragnehmer für das Bohren eines Zubringerbahntunnels unter der Stadt Łódż ausgewählt.
Erfreulich für Investoren: Die polnische Nationalbank NBP senkt den Leitzins um 0,5 Prozentpunkte auf 5,25 Prozent. Hintergrund ist die rückläufige Inflation. Damit werden Kredite für Investitionen günstiger. Auch EU-Fördergelder helfen bei Modernisierungsprojekten.
Neben den Investitionen tragen wachsende Konsumausgaben zum Wirtschaftswachstum bei. Der Einzelhandel in Polen meldete zwischen Januar und April 2025 ein Verkaufsplus von 3,3 Prozent. Treiber sind die steigenden Gehälter. Auch neue Sozialleistungen, wie das Programm "Aktive Eltern", spielen eine Rolle. Es übernimmt die Kosten für die Tagesmutter oder die Kindertagesstätte und entlastet den privaten Geldbeutel von Familien.
Maßnahmen gegen Neuverschuldung
Wachsende öffentliche Ausgaben bei moderat steigenden Steuereinnahmen setzen den Staatshaushalt unter Druck. Die Neuverschuldung in Polen wächst mit 6,2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) im Jahr 2025 fast doppelt so schnell im EU-Durschnitt. Gemessen an der Wirtschaftskraft nimmt in der EU nur Rumänien mehr neue Schulden auf als Polen.
Steigende Rüstungsausgaben tragen ebenfalls zum Haushaltsloch bei. Die Regierung will darum Gelder aus dem europäischen Wiederaufbaufonds für Verteidigungsprojekte umwidmen. Eigentlich sollte der Fonds die wirtschaftlichen Folgen der Coronapandemie abmildern. Die Europäische Kommission hat den neuen polnischen Ausgabenplan Ende Mai 2025 akzeptiert.
Darüber hinaus hofft Polens Regierung, die Staatsverschuldung mit Reformen in den Griff zu bekommen. Ein Schlagwort lautet Bürokratieabbau. Premier Donald Tusk beauftrage eine Arbeitsgruppe rund um den polnischen Milliardär und Unternehmer Rafał Brzoska, Vorschläge auszuarbeiten. Einige Gesetzesvorhaben liegen bereits im Kabinett. Sie betreffen die Berichterstattungspflichten von Unternehmen, Fristen für das Inkrafttreten neuer Steuergesetze, den schnelleren Ausbau der erneuerbaren Energien oder die Digitalisierung der öffentlichen Verwaltung.
Deutsche Perspektive: Druck von chinesischer Konkurrenz
Eine Stütze der Wirtschaft Polens bleibt der Handel mit Deutschland. Im 1. Quartal 2025 importierten deutsche Kunden 6,5 Prozent mehr Waren aus Polen als im Vorjahreszeitraum. Auch die Exporte aus Deutschland in das östliche Nachbarland legten zu, um 3,6 Prozent. Besonders positiv entwickelt sich Polens Nachfrage nach neuen Pkw und elektrischen Haushaltsgeräten.
Allerdings wächst die internationale Konkurrenz. Die Einfuhren aus China, Südkorea und den USA stiegen im 1. Quartal 2025 zwischen 15 und 35 Prozent. Während Polen in den USA und in Südkorea vor allem Verteidigungsgüter einkauft, liefert das Reich der Mitte Maschinen, chemische Produkte und Konsumgüter.
China ist mittlerweile der zweitgrößte Importpartner Polens und holt rasant zu Deutschland auf. Analysten, darunter die Bank Credit Agricole Polska, befürchten, dass der Druck aus Asien im Zuge der US-Zölle auf chinesische Waren noch weiter steigen könnte. Möglich wäre, dass Exporteure aus China ihre Waren nach Europa umleiten - und damit auch nach Polen. Die Folge wären Preiskämpfe und sinkende Margen heimischer Hersteller.
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